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73:52. So lange dauert das Album «If We Fall In Love Tonight» von Rod Stewart. Ich hörte diese CD früher häufig. Besonders dann, wenn ich Arbeiten für die Schule oder später Filmkritiken schreiben musste, mir jedoch jeder Gedanke bereits im Ansatz abschmierte. Rod half Wunder. Kaum zirkelte die silberne Scheibe über den Laserkopf, fiel mir das Schreiben ein Stück leichter. Wort fügte sich an Wort und Satz an Satz. Es gibt wenige CDs in meinem Regal, denen ein derart grosser Verdienst zukommt. Deshalb: Danke Rod! Andererseits ist diese CD auch eine der wenigen in meinem Besitz, die sich nicht mit irgendwelchen Erinnerungen vollgesaugt hat. Schwammscheiben besitze ich sonst nämlich etliche. Zum Beispiel die Fugees, Maxwell sowieso, sogar Puff Daddy oder etwa Tina Dickow. Es ist nicht so, dass ich die Rod Stewart-Scheibe enorm lieben würde. Sie ist etwas gar sülzig und das Keyboard klingt allzu sehr nach «Wetten dass...?». Aber die einen trinken Schlangenblut, wenn ihre Potenz nachlässt und die andern glauben eben an die wundersame Wirkung von schwülstiger Musik. Und vielleicht klappt ja auch heute, was früher stets gelang. Eine neue Kolumne muss her, doch die zündende Idee bleibt aus. Denn es ist ja nicht so, dass ich jede Woche irrsinnig komische Episoden erleben würde. Also hab’ ich jetzt mal den Stewart in den CD-Player gequetscht, damit sollte alles gut kommen! In 73 Minuten und 52 Sekunden zu einer Kolumne. Unterdessen bin ich bei Track 7. Noch neun weitere folgen. Ich tu mir nun doch ein bisschen leid, ich habe die CD schon länger nicht mehr gehört. Und weiss jetzt auch weshalb.

Heute sass ich in der Kantine des Schweizer Fernsehens. Die Köche sind dort mit CulinAir angeschrieben. Zumindest waren sie das ein einem Tag. Vielleicht war das aber auch Tyler Brûlés Geburtstag und er durfte für gutes Sackgeld ein neues Ideechen umsetzen. Gibt es überhaupt einen Diminutiv für Idee? Vermutlich braucht es diesen gar nicht. Denn nur wer eine grosse (ja, eine grossartige!) Idee hatte, hält Einzug in die Wissenschaft. Kleine Ideechen sind selten der Rede Wert, deshalb braucht es auch kein Wort dafür. Dabei soll mal einer behaupten, es wäre eine grosse Idee gewesen, schwarze Socken im Abo anzubieten. Trivial. Verdammt trivial! Doch damit macht man Geld. Eigentlich sind sich Kunst und Wirtschaft gar nicht so fremd. Besuchen Sie mal ein Kunsthaus (nein, Sie müssen nicht! Aber bitte immerhin in Gedanken, ja?). Einer der häufigsten Sätze, die Sie dort hören – ausser natürlich Seufzer der Langeweile –, ist wohl dieser: «Das könnte ich aber auch!» Ein schwarzes Quadrat auf weissem Grund: Trivial! Gelbe, rote, blaue Rechtecke mit schwarzen Linien: Habe ich schon in der Primarschule gemalt! Ein paar Pinselstriche auf der Leinwand: Down-Syndrom? In der Wirtschaft funktioniert es doch ähnlich. Sockenabo, Pappkarton für heisse Kaffeebecher, Community-Website, rote Autos zum Mieten: Success! Komplizierte Konglomerate und Shareholder-Konstrukte, wo die linke Hand gar nie wusste, dass es überhaupt eine rechte Hand gibt: Failure! Eine Analogie in der Kunst fällt mir jetzt leider keine passende ein. Ich hätte gerne zum Ausdruck gebracht, dass ich Rolfs Zirkuslöwen ziemlich unsexy finde. Aber diesen Rank kriege ich nun wirklich nicht. Ein Highlight in dieser Woche übrigens auch Sohn Gregory Knie im Radioquiz von DRS 3. In acht Fragen sieben Mal «Öhm...» und «Weiter!», die einzige tatsächliche Antwort dann: Leider falsch! Wer Tiere und Artisten dressieren kann, ist also noch lange nicht Herr über seine Hirnzellen. Melanie Winiger tat gut daran, von Mallorca zu fliehen. Ob der rappende Isländer allerdings viel mehr in der Birne hat, sei dahingestellt. Immerhin prägte er die Schweizer Kultur nachhaltig mit seinen Versen. Früher dachte man bei Schweizer Literatur an «Ich bin nicht Stiller!». Heute denkt man: «Fuck Blocher!» Viel frischer, würde ich meinen.

Lied 15. Nur noch eines übrig. Was ich eigentlich noch sagen wollte im Zusammenhang mit dem Schweizer Fernsehen: Wir sassen zum Essen gleich neben dem Kiosk. Ein richtiger Kiosk. Mit Zeitungen, mit Kinderüberraschungseiern, mit Zigaretten und mit Kaugummis. Ich kaute an meinen Älplermakronen und studierte die Zeitschriften drüben im Kiosk. Da fragte ich mich: Verkaufen die wohl viele der zahlreichen Sexheftli im Angebot? Man stelle sich mal vor: Matthias Hüppi kauft das Cherry und moderiert danach das Sportpanorama. «Simon Amman, ich habe kürzlich gelesen, Sie setzen sich die Latte immer enorm hoch...»

CD fertig.



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