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Der Kopf scheint eingespannt zwischen Schraubzwingen, du bemerkst, dass du noch in den Kleidern auf dem Bett liegst und das Licht nie gelöscht hast. Dann meldet sich der Magen und du rennst. Guten Morgen, heute hast du den Zonk gezogen! Es gibt wahrlich wenige Gefühle, die sich ähnlich unangenehm anfühlen. Du weisst, der Rest vom Tag ist dahin, denn das ist ein Kater, ein verdammter Mordskater! Hier die drei schlimmsten Kater meines Lebens: Für alle Zeit unangefochten auf Platz eins steht mein mexikanischer City-Kater. Meine ersten Tage in Mexiko, in einer günstigen, dem Luxus wenig verbundenen Jugendherberge, dafür direkt neben dem Regierungspalast von Mexico City gelegen. An diesem Abend ging ich zum ersten Mal rauf aufs Dach, um ein Bier zu trinken, nachdem ich die Abende zuvor jeweils im Zimmer mit Vokabeln lernen und Schlafmanko ausmerzen verbracht hatte. Doch als ich die Uhrzeit angeben, alle Wochentage aufzählen und nach dem Weg zur nächsten Wäscherei fragen konnte, fand ich es an der Zeit, mir ein Bier zu gönnen. Also stieg ich aufs Dach der Jugi – ziemlich eindrücklicher Blick über den zweitgrössten Platz der Welt und ziemlich versiffte Bar. Ich sass eine Weile da und nippte an meinem Bier, als mich eine Österreicherin fragte, ob ich mich nicht zu ihnen gesellen wolle. An der Bar sassen ausserdem ein junger Amerikaner, der am Morgen sein Flugzeug verpasst hatte, weil er sich im Abreisedatum geirrt hatte, ein deutscher Student, dem die Polizei einmal freundlicherweise die Wohnung gesaugt hatte, wobei ein knappes Gramm Marihuana im Staubbeutel hängenblieb und er damit in den Maschen des Gesetzes, ein älterer Deutscher vom Typ Lüstling, der mit seinen Kambodscha-Erzählungen bei den Frauen mächtig gut ankam und schliesslich ein ebenso in die Jahre gekommener Kanadier, den ich täglich vor den U-Bahn-Eingängen rumschleichen sah. Um Gras zu besorgen, wie ich später (nur wenige Stunden später) erfahren würde. Ein illustres Grüppchen also und mitten drin: Ich, der kleine Schweizer, noch grün hinter den Ohren! Dann schickte die Barfrau eine erste Tequila-Flasche auf die Reise. Ich griff mächtig zu, wann immer der Tequila in meinem Blickfeld auftauchte. Was immer schwieriger wurde, denn dieses verengte sich mit jedem Gläschen rasant. Dann kam das Marihuana. Mexikanischer Strassen-Shit. Die nächsten beiden Tage verbrachte ich hauptsächlich auf der Toilette. Dies hatte immerhin den Vorteil, dass mir viel Zeit zum Studieren der Armaturen blieb, wodurch ich endlich begriff, wie warmes Wasser auch aus meiner Dusche zu zaubern war. So musste ich mich fortan zum Duschen nicht mehr in unbelegte oder vermeintlich unbelegte Zimmer schleichen. Nummer zwei gehört noch in die Kategorie der frühen Kater des jungen S. Ein kollektives Besäufnis am Hallwilersee. Was als gemütliches Anstossen auf die Sommerferien gedacht war, endete in einem Botellón. Heute gibt es endlich ein Wort dafür! Wir hatten grossen Spass, ich schrie Liebesgeständnisse in die laue Julinacht, behielt stets meinen Rucksack an – auch als ich im Gras lag – und redete fliessend Englisch mit unserer Austauschschülerin. Man hätte einen Oxford-Heini rankarren sollen, in dieser Nacht hätte ich spielend das Advanced bestanden. Ebenso fliessend ratterte ich dann unsere Telefonnummer runter, als sich meine Mitschüler allmählich Sorgen um mein Wohlergehen zu machen begannen. Nach dem ersten Filmriss sass ich plötzlich im Auto meines Vaters. Nach dem zweiten in einer mir unbekannten Arztpraxis zusammen mit einem Mitschüler (heute Bezirksrichter). Er landete zum Magen Auspumpen im Spital, ich fand mich nach dem dritten Filmriss zu Hause in meinem Bett wieder. Am nächsten Morgen quälte ich mich in die Schule, um das Zeugnis in Empfang zu nehmen. Den Rest des Tages lag ich flach. Nummer drei schliesslich ereignete sich letzten Freitag. Es gibt drei eiserne Regeln beim Alkohol Trinken. Erstens: Nicht durcheinander trinken! Ich blieb von Anfang bis Ende beim Bier. Kein Regelverstoss also. Zweitens: Nie auf nüchternen Magen! Nun ja, einen Cheeseburger gönnte ich mir erst kurz vor Mitternacht. Gilt vermutlich als klarer Regelverstoss. Drittens: Spätestens, wenn du beim Wasser Lassen dümmlich die Plättli angrinst, ist es höchste Zeit, nach Hause zu gehen. Nun, ich grinste tatsächlich bescheuert wie nur irgendwie möglich. Ich grinste derart ekstatisch die Fliesen an, dass es den Kalk nur so aus den Fugen sprengte. Und blieb trotzdem noch ein Stündchen. Dieses letzte Stündchen, welches immer Tor und Angel zum Verderben öffnet. Als Parallele zu Kater Nummer eins auch hier das verhängnisvolle Krautgewächs. Damals mexikanisch, dieses Mal chilenisch. Die Wirkung aber: identisch. Der gemütliche Shopping-Nachmittag tags darauf ging flöten, vom herrlichen Sonnenschein bekam ich gerade mal soviel mit, wie die engen Ritzen meiner Storen durchliessen und bis Sonnenuntergang starrte ich hauptsächlich auf die Fliesen meines Bades. Das Grinsen war mir vollends vergangen und mein Ja zur Hanf-Initiative werde ich nun nochmals gründlich überdenken. Aber erst, wenn mein Hirn wieder zu einer derartigen Leistung im Stande ist.



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