Startseite

ArchivWer tippt?Kolumnen-Abo





Meine Welt ist erschüttert: Ich schmatze angeblich! Kotzt mir ein junger Mann ins Gesicht, steht auf und wechselt entnervt das Zugsabteil. Ich kann es nicht lassen, beim Aussteigen zuerst über seine Schuhe zu spotten (Badelatschen) und ihn dann einen Bünzli zu nennen. Fünf Minuten und rege Diskussionen später habe ich ihn soweit, dass er sogar zugibt, ein Bünzli zu sein. Daher nennen wir den jungen Mann der Einfachheit halber und in gegenseitigem Einverständnis ab dieser Stelle einfach Herrn Bünzli. Unser Gespräch intensiviert sich mit jedem Schritt vom Zug weg und schwach flackert heute die Erinnerung auf, dass in einem meiner Argumentationsstränge irgendwie ein KZ drin vorkam. Wir durchschritten leicht versetzt gerade den Sektor B – ich vorne, er hinten. Klar, im Nachhinein scheinen mir Zweifel an der Stringenz meines Disputs berechtigt. Allerdings nur für diese eine Stelle! Denn in Sektor A erörterte ich schlüssig wie aus dem Lehrbuch die zu erwartenden Folgen meines Schmatzens auf die Population Botswanas – Stichwort Butterfly Effect. Dann war das Perronende erreicht. Leider, denn ein Schuss Blasphemie hätte unserem Gespräch eine zusätzliche Tiefe verliehen, da bin ich mir sicher. Doch wir waren beide in Eile, also liessen wir es dabei bewenden. Schnell fragte ich Herrn Bünzli noch, ob er vielleicht wisse, wo mein Bus fährt, dann gingen wir auseinander. Den Bus fand ich trotz freundlicher Erklärung nicht auf Anhieb, dafür mich umso schneller in Selbstzweifeln wieder: Schmatze ich wirklich? Das geht ja echt nicht! Und erst in aller Öffentlichkeit, die armen Pendler! Ich fühlte mich nackt und entlarvt. Was in Gottes Namen, wenn Herr Bünzli recht hatte? Das Schnarchen stritt ich jahrelang entschieden ab (und glaube heute noch ein bisschen an eine Verschwörung), EPO habe ich ebenfalls nie zu mir genommen, niemals! Und jetzt Schmatzen; wahrlich ungeheure Vorwürfe! Nur damit das klar ist: Sevi schmatzt nicht! Sevi schnarcht nicht und Sevi macht keine Witze über Randgruppen!

Wie dem auch sei, Angriff ist auf jeden Fall immer (ohne Ausnahme!) die beste Verteidigung. Kann ich allen (ob Schmatzer, Im-Ruhewagen-Telefonierer, Kino-Schwatzer, Im-Rauchverbot-Raucher oder Auf-Behindertenparkplatz-Parkierer) nur wärmstens empfehlen. Zeit für Zweifel bleibt danach noch genug. Denn im Grunde meines Herzens bin ich ja beispiellos sensibel, zeige es nur nicht gleich jedem Wildfremden. Wie ich auch nie zu Fremden ins Auto steige und daher jedem Buschauffeur immer zuerst das Du anbiete. Tschuldigung, dieser Witz war jetzt etwa auf Peach Weber-Niveau. Aber ich arbeite an meinem Bühnenprogramm und den Gemeindesaal Corippo würde ich schon gern füllen. Nein, das ist natürlich ein Scherz! Die 17 Einwohner der Tessiner Gemeinde werden natürlich verschont von meinen blöden Witzen. Aber schickt denen doch mal ein paar Asylanten rauf, sonst gibt’s im Verzascatal nur noch Inzucht-Bruten. Aber von Inzucht zurück zu Herrn Bünzli – welch eleganter Bogen. Es gibt da noch eine Kleinigkeit richtigzustellen: Die Badelatschen trug Herr Bünzli lediglich wegen seiner kürzlichen Fussoperation. Kann ich ja nun echt nicht wissen, ich dachte, das wär’ sein Style!

Ja gut, das wär’s jetzt eigentlich schon gewesen von mir in dieser Woche. Werden irgendwie immer kürzer diese Kolumnen! Ich könnte ja vielleicht zum Schluss noch einen Witz erzählen. Kommt ein Pferd in eine Bar... Nein, vielleicht einen anderen. Als Kind wusste ich einen irre lustigen Witz, den schenkte mir das «Mickey Mouse». Danke Mickey! Der Witz hatte allerdings einen Haken: Die Pointe war für ein kleines Stotter-Kind unaussprechbar. Und wenn Sie schon mal einem Stotterer zugehört haben, wie er einen Witz erzählt – also z.B. mir – und wie er dabei die verdammte Pointe einfach nicht rauskriegt, dann wissen Sie, dass irgendwann die beste Pointe verdorben ist. Wie wenn eine Flasche Château Rothschild bei irre brennendem Hochsommerwetter im Gewächshaus liegen bleibt. (Passiert sicher ständig!) Aus diesem Grund nahm ich mir vor, ich erzähle den Witz erst, wenn ich nicht mehr stottere. Für das bessere Bouquet! Hat irgendwie nicht so geklappt, denn das Stottern ist bis heute geblieben und der Witz dadurch noch immer unausgesprochen. Doch eigentlich bin ich ganz froh darüber, denn wenn ich es mir recht überlege, so muss ich zugeben, dass der Witz im Grunde gar nicht so irre lustig ist! Scheiss Mickey!



© 2008 tschyses.chRSS-Feed RSS Feed