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Ich habe mir neulich einen Coiffeursalon gekauft. In der Stadt Zürich in der Nähe des Brunauparks. Damit bin ich nun waschechter Coiffeurmeister. War schon immer ein kleiner Traum von mir. Aber hey, von wem schon nicht? Der Coiffeur ist schliesslich so was wie der Bahnhof Olten: Hier kommen sie alle mal durch! Von jung bis alt, von Büezer bis Bundesrätin. Und das Berufsbild liest sich wie eine Schrift gewordene Fata Morgana: Im Kontakt mit Menschen, mit den Händen gestalten, kreativ sein, jeden Tag neue Frisuren, jeden Tag eine neue Herausforderung, am Puls des täglichen Lebens, für gelangweilte Stadtbewohner vielleicht gar der Mittelpunkt ihres sozialen Lebens sein dürfen, quengelnde Kinder auf den Sitzen festgurten, ihnen ein bisschen Ritalin in den Sirup mischen, ja was gibt es Schöneres, Befriedigenderes, Erfüllenderes als meine nun anbrechende Zukunft als Frisör, in die ich noch ein bisschen misstrauisch blinzle. Gut, das ist alles ein bisschen geflunkert, ich gebe es zu. Ich hätte natürlich viel lieber die Sihlpost gekauft, aber die hatte sich schon ein ehemaliger Dozent von mir unter den Nagel gerissen. Und zumindest in seiner Statur erinnert er mich ein bisschen an den früheren Posthalter meines Heimatdorfes, daher passt er ja auch viel besser hinter das Stempelkissen als ich. Geht also in Ordnung. Die UBS wäre auch ein ziemliches Schnäppchen gewesen, doch wieder kam ich zu spät, auch die hatte bereits ihren Besitzer gewechselt - für läppische 200 Franken. So weit ist’s also gekommen mit Ospels Erbe! Traurig, traurig.

Ich muss vielleicht noch einräumen, dass ich nicht so ganz der rechtmässige Besitzer des Coiffeursalons an der Uetlibergstrasse bin. Also irgendwie schon, aber eigentlich nur der geistige, nicht der materielle Besitzer. Ich bin also nicht der, der gross Kohle macht damit, sondern nur so nebenbei der Patenonkel des hoffentlich florierenden Herrencoiffeurs. Genauso wie mein «Berufskollege» Max Küng nicht wirklich Tankwart im Innenhof der ZKB geworden ist (obwohl das meiner Meinung nach sehr gut zu ihm passen würde), wie seine Kollegin Michèle Roten nicht wirklich als neue Herrin im Amtshaus am Helvetiaplatz fungiert, Röbi Koller wird auch eher selten im Polizei-Kabäuschen am Central anzutreffen sein und Hans Hollenstein wird weiterhin die Geschicke des Kantons Zürich leiten, statt die Trams im Depot zu schrubben. Möglich gemacht hat den Ausverkauf der Stadt Zürich das Cabaret Voltaire, das momentan zwar auf des Stimmbürgers Schneide liegt, doch mich verwandelte es zum Ende meines Studiums vom halbherzigen Künstler in einen überzeugten Kunstsammler. Sollen die in London doch Millionen für die in Formaldehyd eingelegte Arche Noah des Damien Hirst bezahlen (welches Viech hat der Kerl eigentlich noch nicht eingegossen? Langweilig, Herr Hirst!), ein Güselchübel, ein Strassenpoller oder eben ein Coiffeursalon sind auf alle Fälle viel die lässigeren Kunstwerke!

Interessant sind natürlich auch die bezahlten Preise, die man selber festsetzen konnte. Der Autor und Kolumnist Mark van Huisseling scheint grad recht knapp bei Kasse zu sein, für seinen Cabaret-Reklamekasten machte er gerade mal 1.95 locker. Und wünscht sich vielleicht, für ebenso wenig ins Cabaret reinzukommen. Auch die steinreiche Eva Camenzind liess es bei Aldi-mässigen 9.90 für einen stinkenden Robidog bewenden. Charles Clerc machte für einen Hydranten am HB immerhin 11.11 locker, während sich sein Tagesschau-Kumpan Erich Gysling die Polybahn für einen unbekannten Preis unter den Nagel riss. Unbekannt gleich beschämend tief oder exorbitant hoch? Immerhin 111 Franken liess Roger Schawinski für die Kanzlei-Turnhalle springen. Der Mann hat verstanden, dass man sich zwar die Haare färben kann, dass aber die Fitness leider nicht aus der Tube von L’Oréal kommt. Daniel Freitag (der Taschen-Guru) war mit 275.20 für einen Güselchübel an der Langstrasse weit spendabler als der geniale Redenschreiber Peter von Matt: Abluftrohr an der Aussenwand der Post meines Dozenten für bescheidene 1.70. Doch der Applaus für den höchsten Verkaufspreis, den ich während meiner stundenlangen Recherche ermitteln konnte, geht an Milena Moser, welche sich ein 802 Franken teures Schaukelpferd auf dem Zeughaushof gepostet hat. Hach, wir Mörkner sind halt überaus grosszügige Leute! Also ja, jeder innerhalb seiner finanziellen Möglichkeiten natürlich. So bezahlte ich für meinen Frisörsalon stolze 20 Franken und 46 Rappen – als kleine Referenz an Kar Wai Wong (obwohl er bessere Filme gemacht hat!).

>> www.allesistkunst.ch (Ja, sogar ein Haifisch in Formaldehyd!)



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