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Es ist zweifelsohne eine der nervigsten Erfindungen der Neuzeit: Handys mit integriertem Lautsprecher zum Musik laut Abspielen. Ja, LAUT! Gut, das Problem kannte man bereits früher. Doch dazumal musste noch ein üppig schwerer Ghettoblaster auf der Schulter mitgeschleppt werden und die Batterien reichten knapp für ein Musikkassettli. (Das war noch vor Duracell!) Dann kam die gute, abgekapselte Welt der Walkmans. Man stöpselte sich Kopfhörer in die Ohrmuscheln, das Problem schien gelöst. Doch schon bald hatte ein hassenswerter Ingenieur von Sony Ericsson die geniale Idee, einen Lautsprecher ins Mobiltelefon zu integrieren. Ich hoffe inständig fürs Firmenimage, dass zumindest einer in der Entwicklungsabteilung mit grossem Fragezeichen auf der Stirn gefragt hat: «Wozu?» Ja, wozu verdammt?! Doch der Zweifler, der letzte Verfechter von Kultur und des friedlichen Zusammenlebens, wurde überstimmt. Seither haben wir den Salat. Man müsste die Achse des Bösen neu durch Schweden und Japan ziehen! Denn was ist so eine klitzekleine Atombombe schon gegen eine Armee von minderjährigen Ruhestörern?

So geschieht es also immer häufiger, dass irgendwelche Jugendliche (huch, ich gehe ja auch schon bald auf die 30 zu...) an einem vorbeilaufen und ihr Mobiltelefon spazieren führen. Dieses scheppert dabei laut, nervig und gnadenlos vor sich her. Über die Tatsache, dass die Musik quasi ausnahmslos aus Fliessband-Hip-Hop sowie einfallslosem Bling-Bling-R’n’B besteht und sich seit drei Jahren keinen Ton verändert hat, mag ich ja noch halbwegs hinwegsehen (bzw. –hören). Doch vollends auf den Sack geht mir diese himmeltraurige Soundqualität! Hey Jungs und Girls, was da aus eurem Handy kommt, war mal als Musik gedacht! Und Musik ist Kultur! Genau wie man keine Bücher verbrennt, sollte es ebenso verboten sein, die Ohren der Mitmenschen mit einer solchen Scheissqualität zu foltern. Ich verlange von euch ja nicht, dass ihr euer Erbe vorbezieht und davon High-End-Boxen kauft. Ist schon okey, wenn ihr auch unterwegs von Rihanna oder 50 Cent zugemüllt werden wollt. Aber hey, der Sound aus eurem Handy klingt in etwa so, als würde ich mein altes Transistor-Radio unter eine umgedrehte Pfanne stecken und voll aufdrehen. Es scheppert wie die Sau! Und das lässt ihr als Musik durchgehen? Diese angebliche Musik ist ihrer Seele beraubt! Das ist wie Kochen ohne Salz, Angeln ohne Köder, Operieren ohne Narkose, ein Airbag ohne Luft, ein Garten ohne Blumen, ein Bier ohne Alkohol, ein Zug ohne Klimaanlage, ein Pool ohne Wasser, ein Flugzeug ohne Pilot, ein Stier ohne Hoden, eine Suppe ohne Löffel, ein One Night Stand ohne Ständer, eine Schulreise ohne Cervelat, ein Lunapark ohne Auto-Scooter, James Bond ohne Bösewicht, Amy Winehouse ohne Drogen, Rosamunde Pilcher ohne Sülze, Schnipo ohne Ketchup, Berliner ohne Konfitüre, Kliby ohne Caroline, Michael Moore ohne Bush, die Schweizer Nati ohne Frei, ein türkischer Film ohne Untertitel, Gilbert Gress ohne Brille, eine Schatztruhe ohne Schlüssel, ein Bankkonto ohne Geld, ein Kater ohne Alka Seltzer, ein Sumoringer ohne Übergewicht, Pamela Anderson ohne Titten, ein Guerilla ohne Zigarre oder «Speed 2» ohne Keanu Reeves. Kurzum: Einfach absolute Scheisse!

Kauft euch doch für zwanzig Franken einen Kopfhörer und ihr werdet eine neue Welt entdecken, das versprech’ ich euch! Dafür müsst ihr nicht mal raus aufs Meer fahren, müsst keine tollkühnen Gefahren auf euch nehmen, weder gegen Skorbut noch Meutereien kämpfen. Nein, nichts dergleichen! Es ist ganz einfach, der InterDiscount hält für jeden von euch den Schlüssel fürs Paradies bereit. Andere sprengen sich dafür per Dynamitgürtel in die Luft. In Tel Aviv, Damaskus oder sonst wo. Das dürft ihr natürlich auch gerne tun. Dann kriegt ihr eure Jungfrauen und ich endlich mal wieder Ruhe während dem Zugfahren!



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