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Ich knipse den Lichtschalter aus, es ist dunkel. Wow, denke ich, Elektrizität! Der nackte Wahnsinn! Schnipp: das Licht brennt und schnapp: Licht aus! Dann liege ich so da. Irgendwie meldet sich der Rücken. Er sagt: Verdammt, viel zu weich! Ich dreh mich auf die Seite. Mal links, mal rechts. Dann lege ich mich quer. Ich liege zirka in einem 30-Grad-Winkel auf meinem Bett. Krass! Dann bemerke ich, dass ich nichts höre! Keine Vögel, kein Gequake, keine Grillen. Nichts! Irgendwie unheimlich! Dann drückt die Blase. Also schnipp: Licht brennt. Vier, fünf Schritte, dann eine Türfalle, ein zweites Mal schnipp, Klobrille hoch und schon sitze ich. Kein Suchen der Hawaianas im Dunkeln, kein Stolpern über gespannte Schnüre (in der Dunkelheit leider unsichtbar), kein Fussmarsch über nasses Gras und knirschendes Kies, kein Frieren und keine Mückenplage am Lavabo. Einfach schnell aufs Klo. Dann zweimal schnapp, wieder dunkel, fünf Schritte, Decke hoch, ich drunter. Und wieder Stille!

Ein seltsames Gefühl, wieder in der Zivilisation angekommen zu sein, nachdem man vier Nächte im Zelt, im Schlafsack und auf einem etwa zwei Zentimeter dünnen Mätteli verbracht hat. Man kehrt zurück von einem Mikrokosmos lauter lustiger Vögel. Die einen auf den Bäumen, die andern in ihren Zelten oder Wohnwagen. Es ist allerdings äusserst friedlich auf einem Campingplatz, solange sich der Sommer noch in südlicheren Gefilden tummelt. Nur wenige Wohnwagen der Dauermieter sind bevölkert und auf Seiten der Kurzurlauber gibt es eigentlich nur zwei Gruppen: im Camper die Holländer (die Brust ums Fussballerherz oranje, der Kopf bereits kurz nach der Morgendusche Heineken-gerötet) und im Zelt die Studis, um ihren Diplomabschluss zu feiern. Obwohl einer unter ihnen noch nicht mal mit seinem Diplomprojekt begonnen hat. (Das wäre dann leider ich, hat aber seine Richtigkeit!)

Doch bald stellte ich verwundert fest, dass es auf dem ganzen Campingplatz keinen einzigen öffentlichen Fernseher gab. Wie also erfahren, was sich an der Euro tut, während ich Sandburgen baute? Die Lösung kam gewöhnlich genauso zuverlässig um die Ecke ge-adilettet, wie man die Resultate per Knopfdruck auf dem Teletext abrufen könnte. Der Schichtarbeiter aus Zürich interessierte sich eigentlich so gar nicht für Fussball, wusste aber dennoch jeden Spielausgang, steckte sich schnell eine Zigarette an und liess dann den Spielverlauf in einer Kurzzusammenfassung (inklusive Alain-Sutter-reifer Experten-Analyse) Revue passieren. Dann wünschte er noch eine gute Zeit, war weg und wartete nach Ende des nächsten Spiels in unmittelbarer Nähe zum WC-Dusch-Wasch-Häuschen mit Zigarette und neu getanktem Fachwissen im Anschlag auf seinen neuerlichen Einsatz. Mein wandelnder Teletext, ich danke dir! Gute Schicht und eine gute Zeit noch!

Als ich dann wieder daheim in meinem Bett liege (natürlich 30 Grad quergestellt) und in die Stille horche, melden sich diverse Körperteile, so als würde Scotty die Schadensmeldungen an Captain Kirk weitergeben: Rechter Fuss will nicht so oft über das Leintuch gezogen werden, da sonst der Schnitt von der Scherbe nur schwer ignoriert werden kann. Geht mir genauso, meldet der linke Fuss. Dort fungierte jedoch die Zeltschnur als Übeltäter. Das Gesicht erfleht eine erneute Schicht Après-Soleil, die Lippen röcheln was von ausgetrocknet, der Nacken verlangt, dass der Kopf gefälligst auf die andere Seite gedreht wird und der Rücken bemerkt erst hier auf der komfortablen Bico-Matratze, wie versteift er eigentlich ist. Und sowieso, bei dieser Mordsstille kriegt man ja kein Auge zu!

Die Nacht darauf wird besser. Denn es lärmt draussen wieder. Zwar kein Gequake und kein Gezirpe, dafür aber lautes Gehupe. Und dieses erscheint mir in dem Moment genauso friedlich und in den Schlaf lullend wie der Paarungsruf einer ganzen Kolonie süsser, kleiner Laubfröschchen. Die Türken haben gegen die Tschechen gewonnen. Ich bin ihnen überaus dankbar dafür!



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