Startseite

ArchivWer tippt?Kolumnen-Abo





Ich bin ein Saxophon, war mal 9’947 Kilometer von zu Hause weg und habe seit 36 Stunden nicht mehr geschlafen. Verdammt, man muss nur was ganz Kleines erfinden und whumm, die Rakete fliegt in den Orbit. So wie bei Mark Zuckerberg. Der richtete in Harvard eine klitzekleine Hobby-Website für all die andern Harvard-Nerds ein. Also alle, die nicht mit irgendwelchen «Ich war mal die schnellste Stabhochspringerin in meinem Kaff und erhielt dafür ein Stipendium»-Studentinnen Ice-Cream essen oder im Kino rumfummeln konnten am Samstag Abend, die schwenkten einfach von den Schulbüchern zum Computer rüber – natürlich diese «Instant Startup»-PCs mit grüner Schrift, auf denen man ganz schnell ganz geheime Daten findet. Nun gut, wir befinden uns im Frühling 2004. Dann wars halt ein Dell. Oder noch öder, eine IBM-Kiste mit «Möchtegern Piloten Style»-Headset. Ist ja auch egal, da sitzen sie also die Computer-Nerds vom Harvard Computer Club. Frühling 2004. Keine Ahnung, über was die reden. Vielleicht über irgendwelche Gleichungssysteme. Oder Logitech-Mäuse. Naja und dann ists Herbst 2006 und mittlerweile sitzt die halbe Welt am Computer rum und quatscht mit den Harvard-Jungs. Vielleicht unterdessen auch irgendwelche «Ich singe immer Musicals nach wenn ich nicht grad laut und empört über meine beste Freundin lästere oder betone dass ich Kerry gewählt habe»-Studentinnen. Und dann ists Frühling 2008 und die ganze Welt sitzt vor dem Computer und hat ein Profil und lädt sein Foto rauf und legt sich eine Huuuu!-«digitale Identität» zu. Und Mark Zuckerberg ist Millardär und seine kleine Website ist 15 Millarden wert. Wieso konnte ich nicht auf die Idee mit Facebook kommen?

Das Lässigste an Facebook sind ja diese irrsinnig tollen Progrämmli! Die vermehren sich also noch schneller als die Starbucks auf der ganzen Welt. Da lädt dich sicher jeden Tag einer deiner Freunde zu irgendeinem Quiz oder einer Challange oder zu was auch immer ein. Und eigentlich ist man erst ein bisschen cool, wenn man eine dreistellige Anzahl Freunde hat. Aber so richtig cool, so richtig «College Baseballer mit dem Homerun Rekord» bist du erst, wenn du eine vierstellige Zahl Freunde hast und eine Liste von Progrämmli, dass du während dem ganzen Meteo runterscrollen kannst! Vom «Grüezi mitenand!» bis zur 3-Tages-Prognose. Andy Egli dagegen hat nur acht Freunde. Aber ich glaube, es ist nicht der «Ex Fussballer irgendwie Trainer was macht der eigentlich heute»-Egli. Dann hätte er wohl noch weniger Freunde. Aber diese Progrämmli sind wirklich ganz praktisch. Denn so habe ich rausgefunden, dass ich ein Saxophon bin. Glaube aber, dass gelb und Amsterdam immer ein Saxophon ist. Ganz egal, wie ich die anderen Fragen beantworte. «Wie reagierst du, wenn dein bester Freund mit deinem langjährigen Schwarm ausgeht?» Ich hole mein Saxophon und werde US-Präsident. Ganz klar! Und gelb und New York ist wohl auch Saxophon. Und wetten, dass braun und Wien ein Klavier ist? Wien, Österreich, nein, ich werde keinen Witz über irgendwelche Kellerverliese machen!

Und dann weiss ich seit einer Woche, dass ich bereits 85 Städte in 17 Ländern besucht habe. Dornbirn, St. Goar und Vaduz sei Dank! Läck, ich bin eigentlich ein richtiger Globetrotter! Nun gut, von Rye sah ich nicht viel mehr als den Schafmarkt und die Aussicht vom Kirchturm. Dann war die Pinkelpause des Busfahrers auch schon zu Ende. Und La Garde-Freinet ist also auch nicht grad die Mega-Entdeckung. Und Johnny Depp war auch nicht dort, obwohl der angeblich immer mit Baseball-Cap, Baguette und Lavendel-Strauss im Dorf rumvagabundiert. Und jetzt bin ich schon seit 37 Stunden wach. Und eigentlich war ich schon 9'961 Kilometer von zu Hause weg, denn damals wohnte ich ja noch nicht in Aarau. Damals gabs auch noch kein Facebook. Und John Kerry gabs auch noch nicht. Und Andy Egli war kurz vor seiner Verpflichtung als Trainer von Aarau. Und damit auch schon wieder kurz vor seiner Entlassung. Und den Starbucks gabs hier auch noch nicht und Fritzel war noch ein ganz normaler Name, der ein bisschen bedeppert klingt und ich war noch kein Saxophon. Nur Logitech-Mäuse gab es schon. Und damit die Möglichkeit, sich sonst irgendwo die Zeit um die Ohren zu klicken. Klick klick.



© 2008 tschyses.chRSS-Feed RSS Feed