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Meine längst fälligen Entschuldigungen – chronologisch geordnet: Sorry Mami, dass ich in die Hosen gepisst habe, damals, als du mal ausnahmsweise nicht zu Hause warst! Sorry Fabian, dass ich dir einen Duplo-Stein an den Kopf geschmissen habe – hinterhältig wie ein Heckenschütze und eigentlich absolut grundlos. Sorry Christine, dass ich gesagt habe, du seist behindert. Entschuldige Grossmueti, dass ich den Autositz mit Fabians Glacé vollgeschmiert habe, nur weil ich als einziger keine Glacé bekommen habe. Was durchaus seine Gründe hatte, die ich heute sogar verstehe. Entschuldigen Sie Frau Keller, dass ich Sie ausgelacht habe, weil Sie zweimal an derselben Stelle den falschen Ton auf dem Klavier gespielt haben. Leider weiss ich das Stück nicht mehr, aber ich hätte es bestimmt nicht besser gekonnt! Sorry Gotti, dass ich gesagt habe, dein Papier-Machée-Osterei sei kitschig. Entschuldige Fabian, dass ich in der Schule gesagt habe, ich fände meinen Bruder doof. Aber alle fluchten, ihre Schwestern seien doof und da betrachtete ich es als meine Pflicht als Staatsbürger, dem etwas entgegenzuhalten. Sorry Amanda, dass ich die Einladung zu deiner Geburtstags-Party zerrissen habe. Warum, keine Ahnung, doch als einziger der Klasse am Mittwoch Nachmittag zu Hause und nicht an deiner Party – kein Kuchen und keine Spiele – glaub mir, das war dann doch nicht so toll. Sorry Leo, dass ich nicht wollte, dass du mich in die Logopädie fährst. Lag nicht an dir, sondern an der Logopädie, da ich vermeiden wollte, dass du in deinem Grossneffen Schwächen erkennst. Sorry Herr Tulaczko, dass ich gezögert habe, in Ihr Auto zu steigen, als Sie mich nach der Klavierstunde nach Hause fahren wollten. War sehr nett von Ihnen, aber Sie müssen wissen, Kindsentführungen waren damals extrem in Mode und ich ein reger Zuschauer von «Aktenzeichen XY... ungelöst». VW-Busse sind mir dadurch bis heute irgendwie suspekt geblieben. Sorry Marianne, dass ich nicht immer wahnsinnig zuverlässig war, Christine die Hausaufgaben nach Hause zu bringen, wenn sie mal krank war. Scusi an die zwei unbekannten Italiener in meinem Dorf, dass ich dachte, ihr seid kriminell. Aber auch hier mache ich zumindest eine gewisse Mitschuld von Ganoven-Ede Zimmermann geltend! Sorry Herr Tulaczko – Sie schon wieder – Tschuldigung, dass ich einen Sonnenstich simulierte, nur um nicht an irgend so ein Konzert im Gemeindesaal gehen zu müssen. Und wenn wir grad dabei sind: Tut mir leid, dass ich nie geübt habe und ihre Leidenschaft fürs Klavierspielen nie so richtig teilen konnte. Sorry Reto, dass ich dir einen gefälschten Liebesbrief unters Pult schmuggelte. Entschuldige Chregi, dass ich deinen Kehrichtsack-Balsaholz-Drachen zerbrochen und es nachher verheimlicht habe. Ein riesengrosses Sorry an dieser Stelle an die unbekannte Mörknerin, der ich ohne jeden Grund (oder was meinen Sie, Allan Guggenbühl?) auf dem Schulweg den Haken gestellt habe. Immerhin eine halbherzige Entschuldigung an Yen, dass ich dir den Arm umgedreht habe, weil du mir das Game Boy-Spiel nicht zurückgeben wolltest. Sorry Annette, dass ich so stillos (selbst für einen Primarschüler ziemlich stillos) Schluss gemacht habe. Womit wir bereits mitten in den 90er-Jahren wären, die nächsten Schulstufen jetzt leicht verkürzt: Sorry Luca, dass wir nie bei mir zu Hause gekocht haben. Sorry Guido, dass ich dir meine Faust gegen das Jochbein geschleudert habe. (Guido ist heute Profi-Schwinger und ich verbrachte damals den Abend nach Schulschluss bei meinem Hausarzt und durfte zuschauen, wie er meinen Arm eingipste. Der rote Verband war immerhin recht hübsch!) Sorry Tom, dass ich nicht bei dir übernachten wollte. Ich schlafe einfach gerne zu Hause. Denn von dort ists näher zum Luftschutzkeller, falls der Russe doch noch angreift! Sorry Frau Geering, dass ich in den ersten Lateinstunden so pseudo-rebellisch war, aber danke für die ausführliche Erklärung von «disciplina». Entschuldige Magnus, dass ich Detlef auf dein Namensschild geschrieben und den Englisch-Aushilfslehrer ganz verwirrt habe. Sorry Seraina für den schmuddeligen Witz, als du in der Chemiestunde den Acrylglas-Stab statisch laden musstest. Entschuldigung Frau Keller, dass ich in den letzten zwei Jahren keinen Strich mehr fürs Latein gemacht habe. Aber dass Sie mir bei der Bonusfrage grad einen Minuspunkt geben mussten, ja das finde bis heute leicht übertrieben! Sorry Tom und Dambi, dass ihr wegen mir «Nurse Betty» schauen musstet. Wirklich ein grauenhafter Film!

So, das waren sämtliche Entschuldigungen fürs 20. Jahrhundert. Diese Liste findet natürlich ihre Fortsetzung in meiner viertausendeinundneunzigsten Kolumne im Jahr 2101. Bis dann!



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