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Das Leben ist teuer! Eine dieser Aussagen, welche sich praktisch in jeden Smalltalk mixen lässt. Gleich wie Beurteilungen über das momentane Wetter oder das Erkunden nach der aktuellen Berufssituation des Gesprächspartners. Aber stimmt leider schon, das Leben ist teuer! Dies wird mir jedes Mal aufs Neue bewusst, wenn ich einen Sack Bananen, ein Pack Salami, ein paar Joghurts, vielleicht einige Dosen mit gehackten Tomaten, ein Pack Spaghetti und irgendeinen Kuchen (der Mensch braucht Süsses!) am Strichcode-Leser vorbeischleuse. Kostet es weniger als 50 Franken, habe ich irgendwas vergessen, kostet es über 100 Franken, kann ich sicher sein, dass mir der eine oder andere Zucchetto verschimmelt und ich nicht alles Fleisch vor dem Vergammeln braten kann. 50 Franken und das Überleben ist gerade mal für wenige Tage gesichert! Ich solle in die Migros einkaufen gehen, rät mir meine Mutter jedes Mal, wenn wir uns nach dem gemeinsamen Mittagessen vor dem Coop verabschieden. Dort sei es günstiger. Doch ich mag die Migros nicht. Zumindest jene in Aarau nicht. Denn direkt nach der Schiebetür erschlägt einen diese sonderbar riechende Fleischwolke und führt mir die Unausweichlichkeit des Todes vor Augen. Gelb- und Orangetöne sollen die Kundschaft zudem in mediterrane Gegenden versetzen. Was als positiver Effekt gewertet wird, ruft bei mir leider nur die Erinnerung an diese traurigen Krabben wach, welche in Styropor-Boxen mit letzter Lebenskraft ihre Stielaugen verdrehten, wann immer ich als kleiner Tourist in Shorts und Sandalen daran vorbeiging. Völlig angeekelt wählte ich aber doch nie einen andern Weg durch den sudfranzösischen Supermarché, um zu den knusprig-frischen Baguettes zu gelangen.

Ausserdem missfallen mir diese neuartigen Migros-Körbli, welche man locker-lässig hinter sich herziehen, niemals aber einigermassen bequem tragen kann. Wurde man als Kind noch mit diesen Zwergen-Einkaufswägeli gebrandmarkt, gehört es einfach zum Erwachsenwerden dazu, dass man irgendwann in der frühen Pubertät zum Körbli greift und es füllt, bis der Henkel aus dem Scharnier zu brechen droht. Man darf die Aussagekraft eines Einkaufskörblis nicht unterschätzen. Denn es grenzt einen klar und unmissverständlich vom Familienvater ab, welcher gemütlich, aber leicht träge und dem Verrosten nahe, seinen Einkaufswagen durch die Regale steuert. Mit dem Körbli dagegen ist es ein Leichtes, jung, dynamisch, erfolgreich und elegant durch die Gewürzabteilung wie auch durch die Milchprodukte zu «cruisen». Verlagert sich das Einkaufskörbli aber auf den Boden und wird nachgezogen, verspielt man leichtfertig seine Männlichkeit. Denn wer ein Körbli nachzieht, der scheint keine Muskeln zu haben, der scheint im Beruf nicht derart erfolgreich – sprich gestresst – zu sein, als dass es ihm an Zeit mangeln würde, sich bei jedem ausgewählten Produkt gemächlich zum Körbli hinunter zu bücken. Und wer sein Essen hinter sich nachzieht, der überlässt das Würzen der Industrie und röchelt bereits wehleidig-stolz nach Luft, wenn drei Chilischoten auf der Anna’s Best-Verpackung original thailändische Schärfe versprechen. Nein, wer auf Trolley-Körbli steht, der greift nicht selber zur Pfeffermühle und hackt Peperoncini ins Essen, bis ihm archaisch männlich die Nase zu laufen beginnt.

Deshalb gehe ich in den Coop einkaufen. Weil hier die Einkauskörbli noch getragen werden und ihr Grau an Testosteron geschwängerte Baustellen erinnert. Hier geht das Einkaufen auf Distanz zu Disney Land und lässt den Mann noch Mann sein. Als wäre er mit Lendenschutz und Pfeilbogen auf der Jagd. Und zu Hause gibts zur Belohnung ein kühles Bier, nachdem ich meine Einkäufe durch die halbe Stadt getragen habe. Während der Migros-Körbli-Zieher sein Essen mit dem Opel Omega nach Hause fährt und sich dann ein lauwarmes Mivella gönnt. Bevor ihn seine Märklin-Eisenbahn in den Hobbyraum lockt.



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